Den Workshop „Was bedeutet regeneratives Wirtschaften für Tourismusbetriebe und -regionen – von der Idee zum Handeln” begleiteten Andreas Koch von der Tourythm GmbH und Anna Scheffold von Realizing Progress.
Von der Natur für das neue Wirtschaften lernen
“Um anders zu wirtschaften, sollten wir uns bei der Natur inspirieren lassen”. Was womöglich zuerst etwas weit hergeholt oder gar esoterisch anmutet, bildete den Ausgangspunkt für die Session. Im Grunde genommen ist dies nichts Neues, denn 99 Prozent unserer Zeit als Menschheit auf diesem Planeten haben wir in der Natur und im Einklang mit ihr gelebt. Für uns war es geradezu überlebenswichtig, die Natur und deren Ereignisse wie Flut, Sturm, Gewitter oder Kälte vorhersehen zu können.
In der Natur gibt es Prinzipien, die wir uns für den regenerativen Tourismus zunutze machen können. Die Natur, zum Beispiel ein Wald, ist ein Geflecht von wirksamen und stärkenden Beziehungen. Jedes Natursystem ist so erfolgreich, wie die Beziehungen in diesem System erfolgreich sind. In diesem Sinne könnte man touristische Regionen und Betriebe genauso als natürliche Systeme betrachten, in denen es primär um die Beziehungen zu allen wichtigen Akteuren geht. Der (finanzielle) Erfolg ist in diesem Blickwinkel ein Resultat des erfolgreichen Miteinanders.
Ein zweites wichtiges Element der Natur ist die Saisonalität. Es gibt – wie im Winter – immer wieder Ruhephasen, in denen alles “losgelassen” wird, um zu reflektieren und in sich zu gehen. Wann haben wir solche Phasen in unserem touristischen Alltag, indem es immer weniger Ruhepausen zu geben scheint? Aus diesen Phasen entsteht in der Natur immer das Innovative, Neue, welches dann im Frühling ausgesät wird, im Sommer wächst, um im Herbst geerntet zu werden. So passt sich die Natur immer wieder dem Neuen an und bleibt resilient. Können wir daraus lernen, wie wir als Organisationen anpassungsfähiger werden?
In Aktion kommen
An vier Stationen wurden die Prinzipien des Impulses in Gruppenarbeiten vertieft:
Station 1: In Verbindung kommen
Die übergeordnete Fragestellung hier: Wie kommen wir in Verbindung – und mit wem muss und will ich im Alltag in Verbindung sein, damit wir unser Unternehmensziel erfüllen können? Hier wurde viel über das ausgewogene Verhältnis zwischen persönlichen Gesprächen und digitaler Kommunikation gesprochen.
Die Daumenregel: Wenn es wirklich wichtig ist, lohnt sich die Zeit, um sich zusammenzusetzen und die andere Perspektive zu erkunden. Das betrifft die Förderung der Auszubildenden ebenso wie die Zusammenarbeit mit politischen Vertreterinnen und Vertreternoder oder wichtigen Lieferantinnen und Lieferanten.
Station 2: Saisonalität
“Wann soll ich das alles (auch noch) machen?”. Für Innovations- und Zukunftsthemen bleibt im operativen Alltag allzu häufig wenig Zeit. An dieser Station ging es darum, sich einen Überblick zu verschaffen, wann es Zeit für Pausen, Reflektion oder Innovationszyklen im Unternehmen gibt.
Gehandhabt wird das in der Praxis ganz unterschiedlich. Während manche ganz bewusst Team-Tage mehrmals im Jahr einplanen, hangeln sich andere von Woche zu Woche und betreiben kleinere Innovationen im Alltag – die in Summe aber doch wieder zu einer großen Veränderung führen.
Station 3: Stetiger Wandel
Hier war die Frage, wie wir genauso wie die Natur anpassungsfähiger werden. Mit Hilfe eines Kartenspiels der wichtigsten Trends unserer Zeit konnten sich alle Teilnehmenden mit der Frage beschäftigen, welche Trends sich zukünftig auf ihre Region oder ihren Betrieb kunden-, produkt- oder mitarbeiterseitig auswirken werden. So holen wir die Zukunft ins Jetzt und haben uns gefragt, wie wir heute reagieren können, um uns darauf einzustellen.
In dynamischen Zeiten wie diesen ist dies eine wichtige Fähigkeit, um sich dem Wandel anzupassen. Die Diskussionen haben gezeigt, wie spannend es sein kann, Themen wie Ernährungstrends oder Achtsamkeit offen zu diskutieren und gemeinsam Ideen auszutauschen, wie diese im täglichen Betrieb angegangen werden können.
Station 4: Gedanken lenken dein Handeln
In unseren täglichen Herausforderungen fokussieren wir sehr auf unser Handeln. Von der Natur können wir lernen, dass alles mit allem verbunden ist. Interessanterweise haben sich viele alte Kulturen daran orientiert und die moderne Quantenphysik kommt zu dem gleichen Schluss.
Daher haben wir uns in dieser Session mit unseren Gedanken beschäftigt, da sie die Vorboten unseres Handelns sind. Alle Teilnehmenden haben ihre TOP 5 Gedanken, die sie gerade sehr beschäftigen, in zwei Bereiche eingeteilt: Den Besorgnisbereich und den Einflussbereich. Die Gedanken im Besorgnisbereich machen uns Sorgen, wir können sie aber nicht beeinflussen.
Anders ist das bei den Gedanken im Einflussbereich: Hier können wir konkret handeln, um diese anzugehen. Da wir nur eine bestimmte Menge Energie je Tag haben, wäre es sinnvoller, sich nur auf Gedanken im Einflussbereich zu fokussieren. So wird unser Einflussbereich automatisch größer. Wenn wir uns auf den Besorgnisbereich fokussieren, wird unser Einflussbereich automatisch kleiner.
Spannend war es zu beobachten, wie es Teilnehmenden erging, bei denen fast alle Gedanken im Besorgnisbereich lagen. Gemeinsam hat die Gruppe dann diskutiert, wie man solche Gedanken zum Beispiel in den Einflussbereich verschieben kann.
Regeneration im Innen und Außen
Was bleibt von der Session bei den MV-Tourismustagen 2024? Für uns bleibt das Gefühl, dass sich innerhalb der zweistündigen Session etwas spürbar verändert hat. Während am Anfang unterschiedliche Erwartungen und eher Zurückhaltung spürbar waren, ging es im weiteren Verlauf vielmehr um einen persönlichen, sehr lebhaften Austausch. Es war Betroffenheit, aber auch Zukunftsfreude spürbar. Vor allem war spürbar, dass Regeneration nicht allein machbar ist, sondern in Gemeinschaft erlebbarer wird. Genauso wie in der Natur, ging es nicht um die einzelnen Teile oder Teilnehmenden, sondern um das gemeinsame Erlebnis, sich für diese Themen zu öffnen und zu schauen, wie Zukunft auch anders geht.
Unsere inneren Landschaften, also unsere Psyche, sind genauso überhitzt wie unsere äußeren Landschaften durch den Klimawandel. So geht es bei einem regenerativen Tourismus oder Wirtschaftsprinzipien darum, Innen wie Außen zu regenerieren. Genau dafür war diese Session ein Appetitmacher. Das Feedback der Teilnehmenden hat gezeigt, dass sich bei Vielen etwas verändert hat: Sie konnten einen anderen Blickwinkel auf das, was uns täglich umgibt und beschäftigt, einnehmen.
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- Download: Kurzfassung Workshop-Präsentation “Regenerativer Tourismus – von der Idee zum Handeln”
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